Eigentlich sollte zur juristischen Ausbildung auch die Vermittlung zumindest von Grundkenntnissen der Psychologie gehören. Leider ist dies nicht der Fall.
So muss zumindest ein Mindestmaß an Empathie helfen, um angemessen mit Mandanten umgehen zu können und deren Anliegen und Befinden vollständig zu begreifen. Dies gilt gerade in den verschiedenen sozialrechtlichen Bereichen, in denen praktisch jeder Mandant in einer mehr oder weniger
schweren Notsituation ist.
Heute hatte ich eine Mandantin in der Beratung, die Leistungen des Jobcenter bezieht. Vordergründig (und wahrscheinlich auch aus Sicht der Jobcenter-Mitarbeiter) eine Leistungsempfängerin, wie sie in diversen Trash-“Dokus” im Fernsehen auch gerne präsentiert werden … “faul, erfüllt keine Pflichten und geht nicht einmal zu Meldeterminen, will aber Leistungen beziehen” … Sanktionen über Sanktionen sind die Folge und somit auch die finanzielle Not.
Beim genaueren Hinsehen zeigt sich dann im Gespräch jedoch schnell, dass diese Mandantin gerade nicht faul, unmotiviert oder unzuverlässig ist, sondern offenbar schlichtweg krank. Ganz offensichtlich besteht eine derart schwere seelische Erkrankung, dass es kaum möglich ist, ein Gespräch zu führen. Es stellt sich heraus, dass zumindest der Hausarzt deswegen bereits eingeschaltet wurde. Mehr als eine Überweisung zur Psychotherapie erfolgt jedoch nicht. Einem Platz hierfür findet die Mandantin nicht, die Kraft zur Suche ist bereits nach einigen telefonischen Absagen von Psychotherapeuten (Kapazitätsmangel …) erschöpft.
Was soll man hier machen? Das Jobcenter sieht nur die Verletzung von Pflichten eines Leistungsberechtigten und sanktioniert fröhlich weiter. Von einer Erkrankung möchte man dort nichts hören. Sicher kann man gegen jede Sanktion vorgehen, dies löst aber nicht das Problem. Die Mandantin ist im derzeitigen Zustand schlichtweg nicht in der Lage, sich einem Gespräch mit den Jobcenter-Mitarbeitern zu stellen. Der Teufelskreis dreht sich weiter.
Warum kommt das Jobcenter in dieser Situation nicht einmal auf die Idee, etwas genauer hinzusehen und nachzufragen bzw. die Aussagen der Leistungsberechtigten ernst zu nehmen? Möglicherweise hilft in diesem Einzelfall eine amtsärztliche Untersuchung, damit die Mandantin zumindest für einige Zeit vorübergehend aus den Jobcenter-Pflichten “herausgenommen” wird.
Unser Gesundheitssystem mit vollkommen unzureichenden Kapazitäten im Bereich der Psychiater bzw. Psychotherapeuten kommt dazu. Aber auch das ist ja nicht neu.