künstliches schultergelenk grad der behinderung

Relevanz des Themas

Ein künstliches Schultergelenk stellt für Betroffene oft einen bedeutsamen Einschnitt dar, der nicht nur medizinische, sondern auch rechtliche und soziale Konsequenzen mit sich bringt. Die Frage nach dem angemessenen Grad der Behinderung beschäftigt viele Menschen, die aufgrund von Arthrose, Unfallfolgen oder anderen Erkrankungen eine Schulterprothese erhalten haben.

Die rechtliche Bewertung einer Schulterprothese im Rahmen des Schwerbehindertenrechts ist komplex und erfordert eine differenzierte Betrachtung verschiedener Faktoren. Dabei geht es nicht nur um die reine Existenz des künstlichen Gelenks, sondern vielmehr um die daraus resultierenden funktionellen Einschränkungen und deren Auswirkungen auf die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben.

Für Betroffene ist es von elementarer Bedeutung zu verstehen, welche Rechte ihnen zustehen und wie sie diese erfolgreich durchsetzen können. Ein angemessen bewerteter Grad der Behinderung kann zu wichtigen Nachteilsausgleichen führen und die Lebensqualität erheblich verbessern.

Rechtliche Grundlagen der GdB-Bewertung bei künstlichen Schultergelenken

Gesetzliche Grundlagen

Die Bewertung des Grades der Behinderung bei einem künstlichen Schultergelenk erfolgt nach den Bestimmungen des Neunten Sozialgesetzbuchs (SGB IX). Gemäß § 2 SGB IX liegt eine Behinderung vor, wenn körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren die gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigen.

Bewertungskriterien nach den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen

Die Versorgungsmedizinischen Grundsätze sehen für Endoprothesen an Gelenken differenzierte Bewertungen vor, die sich nach dem Funktionsverlust richten. Bei der Schulter sind folgende Aspekte maßgeblich:

Bewegungsumfang: Die Bewertung orientiert sich an der verbleibenden Beweglichkeit des Schultergelenks in allen Bewegungsebenen. Besonders relevant sind die Abduktion (seitliches Anheben des Arms), die Flexion (Vorwärtsbewegung) und die Rotation.

Kraftverlust: Der Verlust der Muskelkraft wird ebenfalls in die Bewertung einbezogen, da dieser die Funktionsfähigkeit des Gelenks erheblich beeinflusst.

Schmerzsymptomatik: Chronische Schmerzen, die trotz der Prothesenversorgung bestehen bleiben, fließen als eigenständiger Bewertungsfaktor ein.

Instabilität: Eventuelle Instabilitäten oder Luxationsneigungen der Prothese werden zusätzlich berücksichtigt.

Bewertungsmaßstäbe und GdB-Einstufungen bei Schulterprothesen

Nach den versorgungsmedizinischen Grundsätzen (Teil B Abschnitt 18.12 VersMedV) gelten bei Schulterendoprothesen verbindliche Mindestbewertungen:

Einseitige Schulter-Endoprothese: mindestens GdB 20

Beidseitige Schulter-Endoprothesen: mindestens GdB 40

Diese Werte berücksichtigen bereits die typischen Funktionsgrenzen nach dem Einsetzen der Prothese.

Bei eingeschränkter Versorgungsqualität – etwa durch reduzierte Beweglichkeit, Schmerzen, Nervenschäden, Muskelminderungen oder ausgeprägte Narbenbildung – sind höhere GdB-Werte möglich.

Praktische Tipps für Betroffene

Vorbereitung des Antrags

Vollständige Dokumentation: Sammeln Sie alle relevanten medizinischen Unterlagen, einschließlich Operationsberichten, Nachsorgeuntersuchungen und Physiotherapieberichten.

Funktionstagebuch: Führen Sie über einen längeren Zeitraum ein detailliertes Tagebuch über Ihre Beschwerden, Schmerzen und Funktionseinschränkungen im Alltag.

Berufliche Auswirkungen: Dokumentieren Sie konkret, welche beruflichen Tätigkeiten nicht mehr oder nur noch eingeschränkt möglich sind.

Fachärztliche Stellungnahmen: Bitten Sie Ihre behandelnden Ärzte um detaillierte Stellungnahmen zur Funktionsbeeinträchtigung.

Während des Verfahrens

Termintreue: Halten Sie alle Termine beim Versorgungsamt oder bei ärztlichen Untersuchungen pünktlich ein.

Ehrliche Darstellung: Schildern Sie Ihre Beschwerden und Einschränkungen wahrheitsgemäß, ohne zu übertreiben oder zu untertreiben.

Nachfragen: Scheuen Sie sich nicht, beim Versorgungsamt nachzufragen, wenn das Verfahren ungewöhnlich lange dauert.

Bei unzureichendem Bescheid

Widerspruchsfrist beachten: Sie haben nur einen Monat Zeit für den Widerspruch nach Zustellung des Bescheides.

Begründung: Ein qualifizierter Widerspruch sollte detailliert medizinisch und rechtlich begründet werden.

Ergänzende Unterlagen: Reichen Sie neue oder ergänzende medizinische Befunde nach, die Ihre Position stärken.

Checkliste für den Antrag auf GdB-Feststellung

Medizinische Unterlagen

  • Aktuelle orthopädische Befunde mit Funktionsanalyse
  • Röntgen- oder MRT-Aufnahmen der Schulterprothese
  • Operationsberichte und Implantat-Ausweise
  • Physiotherapieberichte über den Behandlungsverlauf
  • Schmerztherapeutische Dokumentation falls vorhanden
  • Berichte über eventuelle Komplikationen oder Folgeeingriffe

Dokumentation der Auswirkungen

  • Detaillierte Schilderung der Alltagsbeeinträchtigungen
  • Berufsspezifische Einschränkungen dokumentiert
  • Schmerztagebuch über mindestens vier Wochen
  • Auflistung nicht mehr möglicher Tätigkeiten
  • Hilfsmittel und deren Notwendigkeit dokumentiert

Formale Aspekte

  • Vollständig ausgefüllter Antrag
  • Einverständniserklärungen für Arztauskünfte
  • Kopien aller medizinischen Unterlagen beigefügt
  • Antrag fristgerecht eingereicht
  • Kopie des Antrags für eigene Unterlagen

Das Widerspruchsverfahren bei unzureichender GdB-Bewertung

Formale Voraussetzungen

Das Widerspruchsverfahren ist der erste Rechtsbehelf gegen einen aus Ihrer Sicht unzureichenden GdB-Bescheid. Der Widerspruch muss innerhalb eines Monats nach Zustellung des Bescheides schriftlich beim zuständigen Versorgungsamt eingereicht werden.

Widerspruchsfrist: Die Monatsfrist beginnt mit dem vierten Tag nach der Aufgabe des Bescheides zur Post zu laufen, es sei denn, die Zustellung erfolgte nachweislich zu einem anderen Zeitpunkt.

Form: Der Widerspruch bedarf der Schriftform und sollte konkrete Einwände gegen die Bewertung enthalten.

Begründung: Eine ausführliche Begründung ist empfehlenswert, um dem Versorgungsamt die Möglichkeit zur Selbstkorrektur zu geben.

Inhaltliche Gestaltung des Widerspruchs

Medizinische Argumentation: Der Widerspruch sollte detailliert darlegen, welche medizinischen Aspekte bei der ursprünglichen Bewertung nicht oder unzureichend berücksichtigt wurden.

Funktionale Defizite: Konkrete Darstellung der tatsächlichen Bewegungseinschränkungen und deren Ausmessungen.

Alltagsbeeinträchtigungen: Ausführliche Schilderung, wie sich die Schulterprothese auf das tägliche Leben auswirkt.

Neue Erkenntnisse: Falls seit der Antragstellung neue medizinische Erkenntnisse vorliegen, sollten diese umfassend dargestellt werden.

Das weitere Verfahren

Nach Eingang des Widerspruchs führt das Versorgungsamt eine erneute Prüfung durch.  Selten wird eine zusätzliche ärztliche Begutachtung angeordnet. Diese Untersuchung ist von entscheidender Bedeutung für den Ausgang des Verfahrens.

Vorbereitung auf die Begutachtung: Bereiten Sie sich sorgfältig auf den Begutachtungstermin vor und nehmen Sie alle relevanten Unterlagen mit.

Untersuchungsablauf: Der Gutachter wird Ihre Schulter untersuchen und die Bewegungsumfänge messen. Schildern Sie dabei ehrlich Ihre Beschwerden.

Gutachtenerstellung: Das Gutachten bildet die Grundlage für die Widerspruchsentscheidung und sollte alle relevanten Aspekte berücksichtigen.

Sozialgerichtliches Verfahren bei erfolglosem Widerspruch

Klageerhebung und Verfahrensablauf

Die Klage muss innerhalb eines Monats nach Zustellung des Widerspruchsbescheides erhoben werden. Das Gericht wird den Sachverhalt umfassend aufklären und gegebenenfalls ein unabhängiges Sachverständigengutachten einholen.

Beweisaufnahme: Das Sozialgericht hat die Pflicht zur umfassenden Sachverhaltsaufklärung und wird alle erforderlichen Beweise erheben.

Sachverständigengutachten: Oft wird ein gerichtlicher Sachverständiger mit der Begutachtung beauftragt, der unabhängig von den Versorgungsämtern tätig ist.

Verhandlung: In der mündlichen Verhandlung haben Sie die Gelegenheit, Ihren Fall persönlich darzustellen.

Handlungsempfehlung

Die Bewertung eines künstlichen Schultergelenks im Rahmen der GdB-Feststellung ist ein komplexer Vorgang, der eine individuelle Betrachtung aller Umstände erfordert. Entscheidend ist nicht nur das Vorhandensein der Prothese selbst, sondern die daraus resultierenden funktionellen Einschränkungen und deren Auswirkungen auf die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben.

Betroffene sollten sich nicht mit einer möglicherweise zu niedrigen Bewertung zufriedengeben, sondern ihre Rechte konsequent wahrnehmen. Das Widerspruchsverfahren bietet oft gute Chancen auf eine Korrektur, insbesondere wenn die ursprüngliche Bewertung auf unvollständigen oder veralteten medizinischen Unterlagen beruht.

Die Unterstützung durch einen in diesem Rechtsgebiet erfahrenen Anwalt kann dabei helfen, alle relevanten Aspekte zu berücksichtigen und die bestmögliche Bewertung zu erreichen. Dabei geht es nicht nur um den aktuellen GdB, sondern auch um die langfristigen Auswirkungen und möglichen Verschlechterungen.

Lassen Sie sich nicht entmutigen, wenn der erste Bescheid nicht Ihren Erwartungen entspricht. Mit der richtigen Vorbereitung und fachkundiger Unterstützung lassen sich oft bessere Ergebnisse erzielen, die Ihnen wichtige Nachteilsausgleiche und eine verbesserte Lebensqualität ermöglichen.

Häufig gestellte Fragen

Wie hoch ist der GdB normalerweise bei einem künstlichen Schultergelenk?

Der GdB bei einer Schulterprothese variiert typischerweise zwischen 20 und 50, abhängig von der verbliebenen Funktion, der Beweglichkeit und eventuellen Schmerzen. Eine pauschale Bewertung gibt es nicht – entscheidend ist immer die individuelle Funktionsbeeinträchtigung.

Wird eine Schulter-TEP automatisch als Schwerbehinderung anerkannt?

Nein, eine Schulterprothese führt nicht automatisch zu einem GdB von 50 oder höher. Die Bewertung erfolgt nach den tatsächlichen Funktionseinbußen.

Kann sich der GdB nach der Implantation noch ändern?

Ja, der GdB kann sich sowohl verschlechtern als auch verbessern. Bei Komplikationen, Lockerungen oder fortschreitenden Problemen können Sie einen Verschlimmerungsantrag stellen. Auch Verbesserungen müssen dem Versorgungsamt mitgeteilt werden.

Wie lange dauert das Feststellungsverfahren?

Das Verfahren dauert in der Regel 3-6 Monate, kann bei komplizierten Fällen oder notwendigen Gutachten aber auch länger dauern. Bei ungewöhnlich langen Wartezeiten können Sie beim Versorgungsamt nachfragen.

Welche Unterlagen benötige ich für den Antrag?

Sie benötigen alle relevanten medizinischen Unterlagen, insbesondere aktuelle orthopädische Befunde, Operationsberichte, Röntgenbilder und Berichte über den Heilungsverlauf. Je vollständiger die Dokumentation, desto besser kann Ihr Fall beurteilt werden.

Muss ich zu einer ärztlichen Untersuchung beim Versorgungsamt?

Das Versorgungsamt kann eine Untersuchung durch einen ihrer Gutachter anordnen, wenn die eingereichten Unterlagen für eine Bewertung nicht ausreichen. Diese Untersuchung ist für Sie verpflichtend.

Was passiert, wenn ich mit dem GdB-Bescheid nicht einverstanden bin?

Sie können innerhalb eines Monats Widerspruch gegen den Bescheid einlegen. Wenn auch der Widerspruchsbescheid unbefriedigend ist, steht Ihnen der Weg zum Sozialgericht offen.

Kann eine beidseitige Schulterprothese zu einem höheren GdB führen?

Ja, bei beidseitiger Betroffenheit oder dem Vorliegen mehrerer Behinderungen wird eine Gesamtbewertung vorgenommen, die höher ausfallen kann als die Summe der Einzelbehinderungen.

Welche Nachteilsausgleiche stehen mir mit einem GdB zu?

Die Nachteilsausgleiche hängen von der Höhe des GdB ab. Ab GdB 30 ist eine Gleichstellung möglich, ab GdB 50 gelten Sie als schwerbehindert mit umfangreichen Rechten wie Kündigungsschutz, Zusatzurlaub und steuerlichen Vergünstigungen.

Künstliches Schultergelenk Grad der Behinderung