
Das Wichtigste im Überblick:
- Rheumatoide Arthritis kann – je nach Aktivität und Schweregrad und Funktionseinschränkungen – zu einem GdB zwischen 10 und 100 führen. Mittelgradige Auswirkungen liegen regelmäßig bei 50-70.
- Die Bewertung erfolgt nach den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen anhand objektiver Kriterien und Funktionsstörungen
- Ein GdB ab 50 berechtigt zur Anerkennung als schwerbehinderter Mensch mit entsprechenden Rechten und Nachteilsausgleichen
Einleitung und Relevanz des Themas
Die rheumatoide Arthritis ist eine der häufigsten entzündlichen Gelenkerkrankungen, die Millionen von Menschen in Deutschland betrifft. Diese chronische Autoimmunerkrankung führt nicht nur zu erheblichen körperlichen Beschwerden, sondern kann auch die Erwerbsfähigkeit und Lebensqualität der Betroffenen massiv beeinträchtigen.
Für Menschen mit rheumatoider Arthritis ist die Feststellung des Grades der Behinderung (GdB) von zentraler Bedeutung. Der GdB bestimmt nicht nur den Zugang zu wichtigen Nachteilsausgleichen und Unterstützungsleistungen, sondern kann auch entscheidend für die berufliche Zukunft und finanzielle Absicherung sein. Viele Betroffene sind jedoch unsicher, welcher GdB ihnen zusteht und wie sie ihre Ansprüche erfolgreich durchsetzen können.
Die Bewertung der rheumatoiden Arthritis durch die Versorgungsämter erfolgt nach komplexen medizinischen und rechtlichen Kriterien. Häufig kommt es zu Fehlbewertungen oder unzureichenden Einschätzungen der tatsächlichen Funktionseinschränkungen. In solchen Fällen ist kompetente rechtliche Unterstützung unerlässlich, um die berechtigten Ansprüche durchzusetzen.
Rechtliche Grundlagen der GdB-Bewertung
Die Bewertung des Grades der Behinderung bei rheumatoider Arthritis basiert auf dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) und den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen (VMG). Diese rechtlichen Grundlagen definieren präzise, wie Funktionseinschränkungen zu bewerten sind und welche Kriterien für die GdB-Feststellung maßgeblich sind.
Nach § 2 SGB IX liegt eine Behinderung vor, wenn körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigen. Der Grad der Behinderung (GdB) wird in Zehnerschritten von 10 bis 100 festgestellt und spiegelt das Ausmaß der Beeinträchtigung der Teilhabefähigkeit wider.
Die Versorgungsmedizinischen Grundsätze enthalten spezielle Bewertungstabellen für entzündliche Gelenkerkrankungen wie die rheumatoide Arthritis. Diese Tabellen berücksichtigen verschiedene Faktoren wie die Anzahl der betroffenen Gelenke, das Ausmaß der Funktionseinschränkungen, die Entzündungsaktivität und die Auswirkungen auf die Alltagsaktivitäten.
Das Versorgungsamt ist verpflichtet, bei der GdB-Bewertung eine Gesamtbetrachtung aller gesundheitlichen Beeinträchtigungen vorzunehmen. Dabei dürfen die einzelnen GdB-Werte nicht einfach addiert werden, sondern es muss eine Gesamtbewertung unter Berücksichtigung der Wechselwirkungen erfolgen (Versorgungsmedizinische Grundsätze, Teil A Nr. 3).
Bewertungskriterien für rheumatoide Arthritis
Die Bewertung der rheumatoiden Arthritis erfolgt primär anhand der funktionellen Auswirkungen der Erkrankung. Entscheidend sind nicht die Röntgenbefunde oder Laborwerte allein, sondern die tatsächlichen Einschränkungen im täglichen Leben und bei der Erwerbstätigkeit.
Bei der Bewertung werden verschiedene Schweregrade unterschieden. Leichte Formen der rheumatoiden Arthritis mit geringen Funktionseinschränkungen werden typischerweise mit einem GdB von 20 bis 40 bewertet. Bei mittelschweren Verlaufsformen, die zu dauernden erheblichen Funktionseinbußen und Beschwerden führen, wird meist ein GdB zwischen 50 und 70 angenommen. Bei der Bewertung kommt es auf den Grad der Funktionseinbußen und Beschwerden, Art und Umfang des Gelenkbefalls und das Ausmaß der Krankheitsaktivität an. Schwere Verlaufsformen der rheumatoiden Arthritis, die mit hochgradigen irreversiblen Funktionseinschränkungen, hochgradiger Progredienz und starken Schmerzen und erheblichen Beeinträchtigungen der Lebensführung einhergehen, können einen höheren GdB rechtfertigen.
Besonders relevant ist dabei stets die Bewertung der Gebrauchsfähigkeit der Hände, da diese für die meisten Tätigkeiten von zentraler Bedeutung ist.
Die Versorgungsämter müssen auch berücksichtigen, wenn die rheumatoide Arthritis mit anderen Erkrankungen oder Komplikationen einhergeht. Dazu gehören beispielsweise Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Osteoporose oder psychische Beeinträchtigungen wie Depressionen oder Angststörungen, die als Folge der chronischen Schmerzen und Einschränkungen auftreten können.
Typische Fallkonstellationen und Bewertungsansätze
In der Praxis zeigen sich bei der GdB-Bewertung rheumatoider Arthritis verschiedene typische Fallkonstellationen, die jeweils unterschiedliche rechtliche Herausforderungen mit sich bringen. Eine häufige Konstellation betrifft Betroffene mit polyartikulärer rheumatoider Arthritis, bei der multiple Gelenke betroffen sind und deutliche Funktionseinschränkungen vorliegen.
Bei der Bewertung von Handfunktionsstörungen durch rheumatoide Arthritis ist besondere Sorgfalt geboten. Die Hände sind für nahezu alle Aktivitäten des täglichen Lebens und die meisten beruflichen Tätigkeiten essentiell. Bereits moderate Einschränkungen der Handfunktion können daher erhebliche Auswirkungen auf die Teilhabemöglichkeiten haben und einen entsprechend hohen GdB rechtfertigen.
Eine weitere wichtige Fallkonstellation betrifft die Bewertung von Wirbelsäulenbeteiligungen bei rheumatoider Arthritis. Wenn die Erkrankung auch die Wirbelsäule erfasst, können zusätzliche Funktionseinschränkungen entstehen, die bei der Gesamtbewertung angemessen berücksichtigt werden müssen.
Besonders komplex ist die Bewertung in Fällen, in denen trotz medikamentöser Behandlung erhebliche Krankheitsaktivität und Funktionseinschränkungen bestehen bleiben. Hier muss das Versorgungsamt prüfen, ob die gewählte Therapie angemessen ist und ob gegebenenfalls intensivere Behandlungsansätze erforderlich sind.
Rechtsanwalt Alexander Grotha verfügt durch seine langjährige Spezialisierung auf das Sozialrecht über umfassende Erfahrungen in der erfolgreichen Vertretung von Menschen mit rheumatoider Arthritis bei der Durchsetzung angemessener GdB-Bewertungen.
Praktische Tipps für Betroffene
Die erfolgreiche Durchsetzung eines angemessenen GdB bei rheumatoider Arthritis erfordert eine sorgfältige Vorbereitung und Dokumentation der gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Betroffene sollten bereits vor der Antragstellung alle relevanten medizinischen Unterlagen sammeln und systematisch ordnen.
Besonders wichtig ist die detaillierte Dokumentation der Funktionseinschränkungen im Alltag. Führen Sie ein Schmerztagebuch und notieren Sie konkret, welche Tätigkeiten Ihnen schwerfallen oder unmöglich sind. Diese Aufzeichnungen können bei der Bewertung durch das Versorgungsamt von entscheidender Bedeutung sein.
Achten Sie darauf, dass Ihre behandelnden Ärzte die Funktionseinschränkungen in ihren Berichten konkret und detailliert beschreiben. Allgemeine Formulierungen wie „mittelgradige Einschränkungen“ sind wenig hilfreich. Besser sind spezifische Angaben zu Bewegungsumfängen, Greifkraft und konkreten Beeinträchtigungen bei Alltagsaktivitäten.
Wenn Sie mit der GdB-Bewertung des Versorgungsamts nicht einverstanden sind, sollten Sie nicht zögern, Widerspruch einzulegen. Die Widerspruchsfrist beträgt einen Monat und beginnt mit der Bekanntgabe des Verwaltungsakts.
Aktuelle Entwicklungen in der Rechtsprechung
Die Rechtsprechung zur Bewertung rheumatoider Arthritis hat sich in den letzten Jahren kontinuierlich weiterentwickelt. Sozialgerichte legen zunehmend Wert auf eine funktionsorientierte Bewertung und fordern von den Versorgungsämtern eine detaillierte Begründung ihrer Bewertungsentscheidungen.
Ein wichtiger Aspekt aktueller Rechtsprechung ist die verstärkte Berücksichtigung von Schmerzen bei der GdB-Bewertung. Während früher oft nur die objektiv messbaren Funktionseinschränkungen im Vordergrund standen, erkennen die Gerichte zunehmend an, dass chronische Schmerzen eigenständige Behinderungen darstellen können.
Die Gerichte fordern auch eine stärkere Berücksichtigung der psychischen Auswirkungen chronischer rheumatischer Erkrankungen. Psychische Störungen wie Depressionen oder Angststörungen, die als Folge der rheumatoiden Arthritis auftreten, müssen bei der Gesamtbewertung angemessen berücksichtigt werden.
Zunehmend wird auch die Bedeutung einer adäquaten medizinischen Begutachtung erkannt. Die Gerichte fordern von den Versorgungsämtern, dass sie bei unklaren Sachverhalten qualifizierte fachärztliche Gutachten einholen und nicht nur auf die vorgelegten Unterlagen abstellen.
Checkliste für den GdB-Antrag
Vor der Antragstellung sollten Sie folgende Punkte beachten und vorbereiten:
- Sammlung aller relevanten medizinischen Unterlagen der letzten Jahre
- Detaillierte Auflistung aller behandelnden Ärzte und Kliniken
- Dokumentation der aktuellen Medikation und deren Wirkungen/Nebenwirkungen
- Führung eines Schmerztagebuchs über mehrere Wochen
- Aufzeichnung konkreter Funktionseinschränkungen im beruflichen und privaten Bereich
- Sammlung von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen und Berichten zur Leistungsfähigkeit
- Dokumentation von Hilfsmittelverordnungen und deren Nutzung
- Berichte über Rehabilitationsmaßnahmen und deren Erfolg
- Gutachten zur Erwerbsfähigkeit, falls vorhanden
- Vollständige Angaben zu Vorerkrankungen und Begleiterkrankungen
Bei der Antragstellung sollten Sie alle relevanten Gesundheitsstörungen angeben, nicht nur die rheumatoide Arthritis. Das Versorgungsamt muss eine Gesamtbewertung aller gesundheitlichen Beeinträchtigungen vornehmen.
Widerspruch und Klage bei unzureichender Bewertung
Wenn das Versorgungsamt Ihren GdB zu niedrig bewertet hat, können Sie innerhalb eines Monats Widerspruch einlegen. Der Widerspruch muss schriftlich erfolgen und sollte konkrete Einwände gegen die Bewertung enthalten. Nutzen Sie diese Gelegenheit, um zusätzliche medizinische Unterlagen vorzulegen und Ihre Funktionseinschränkungen detailliert zu schildern.
Falls auch das Widerspruchsverfahren nicht zum gewünschten Erfolg führt, können Sie Klage vor dem Sozialgericht erheben. Die Klage ist gerichtskostenfrei und kann auch ohne anwaltliche Vertretung eingereicht werden. Allerdings ist die Unterstützung durch einen erfahrenen Anwalt für Sozialrecht oft entscheidend für den Erfolg des Verfahrens.
Rechtsanwalt Alexander Grotha unterstützt Sie kompetent bei allen Schritten des Widerspruchs- und Klageverfahrens und setzt sich mit großem Engagement für die Durchsetzung Ihrer berechtigten Ansprüche ein.
Nachteilsausgleiche bei rheumatoider Arthritis
Mit der Anerkennung eines GdB ergeben sich verschiedene Rechte und Nachteilsausgleiche, die das Leben mit rheumatoider Arthritis erleichtern können. Bereits ab einem GdB von 30 können unter bestimmten Umständen Gleichstellungsanträge bei der Bundesagentur für Arbeit gestellt werden, die zu einem erweiterten Kündigungsschutz führen.
Ab einem GdB von 50 erhalten Sie einen Schwerbehindertenausweis und haben Anspruch auf verschiedene Nachteilsausgleiche. Dazu gehören zusätzliche Urlaubstage, Schutz vor Kündigung, Recht auf Teilzeitarbeit, steuerliche Vergünstigungen und unter Umständen auch die Möglichkeit einer vorzeitigen Altersrente.
Je nach Merkzeichen können weitere spezielle Vergünstigungen hinzukommen. Das Merkzeichen „G“ für erhebliche Gehbehinderung kann beispielsweise zu vergünstigten oder kostenlosen Fahrten im öffentlichen Nahverkehr berechtigen. Das Merkzeichen „B“ für die Notwendigkeit einer Begleitperson ermöglicht die kostenlose Mitnahme einer Begleitperson in öffentlichen Verkehrsmitteln.
Ausblick
Die Feststellung eines angemessenen GdB bei rheumatoider Arthritis ist ein komplexer Prozess, der fundierte Kenntnisse der rechtlichen Grundlagen und der medizinischen Bewertungskriterien erfordert. Viele Betroffene erhalten zunächst eine zu niedrige Bewertung, weil die tatsächlichen Auswirkungen ihrer Erkrankung nicht ausreichend gewürdigt werden.
Eine fachkundige Begleitung durch einen spezialisierten Rechtsanwalt kann entscheidend für den Erfolg sein. Durch die richtige Aufbereitung der medizinischen Unterlagen, eine zielgerichtete Argumentation und die kompetente Vertretung in Widerspruchs- und Klageverfahren lassen sich oft deutlich bessere Ergebnisse erzielen.
Wenn Sie von rheumatoider Arthritis betroffen sind und Zweifel an der Angemessenheit Ihrer GdB-Bewertung haben, sollten Sie nicht zögern, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Eine angemessene Bewertung Ihres Gesundheitszustands ist nicht nur eine Frage der Gerechtigkeit, sondern kann auch erhebliche praktische und finanzielle Auswirkungen für Ihr weiteres Leben haben.
Häufig gestellte Fragen
Welcher GdB steht mir bei rheumatoider Arthritis zu?
Der GdB bei rheumatoider Arthritis hängt vom Schweregrad und den Funktionseinschränkungen ab. Je nach Ausprägung sind GdB-Werte zwischen 10 und 100 möglich. Entscheidend sind die tatsächlichen Beeinträchtigungen im Alltag und Beruf.
Wie wird der GdB bei rheumatoider Arthritis bewertet?
Die Bewertung erfolgt nach den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen. Berücksichtigt werden die Anzahl betroffener Gelenke, Funktionseinschränkungen, Schmerzen und Auswirkungen auf die Lebensführung.
Kann ich Widerspruch gegen einen zu niedrigen GdB einlegen?
Ja, Sie haben einen Monat Zeit für einen schriftlichen Widerspruch. Legen Sie zusätzliche medizinische Unterlagen bei und beschreiben Sie Ihre Einschränkungen detailliert.
Welche Unterlagen benötige ich für den GdB-Antrag?
Sammeln Sie alle medizinischen Berichte, Gutachten, Röntgenbilder, Medikationspläne und Dokumentationen über Funktionseinschränkungen der letzten Jahre.
Ab welchem GdB erhalte ich einen Schwerbehindertenausweis?
Ab einem GdB von 50 haben Sie Anspruch auf einen Schwerbehindertenausweis mit entsprechenden Nachteilsausgleichen.
Können auch psychische Folgen der rheumatoiden Arthritis berücksichtigt werden?
Ja, Depressionen oder Angststörungen als Folge der chronischen Erkrankung müssen bei der Gesamtbewertung berücksichtigt werden.
Wie lange dauert das GdB-Verfahren?
Das Erstverfahren dauert erfahrungsgemäß meist 3-6 Monate. Widerspruchs- und Klageverfahren können unter Umständen deutlich länger dauern.
Muss ich regelmäßig zur Nachuntersuchung?
Das hängt vom Einzelfall ab. Bei chronischen Erkrankungen wie der rheumatoiden Arthritis wird der GdB häufig, aber nicht zwingend, unbefristet festgestellt. Das entscheidet die Behörde im Einzelfall, je nach Krankheitsverlauf.
Kann sich mein GdB verschlechtern?
Eine Herabsetzung ist nur möglich, wenn sich Ihr Gesundheitszustand wesentlich und dauerhaft verbessert hat.
Brauche ich einen Anwalt für das GdB-Verfahren?
Ein Anwalt ist nicht zwingend erforderlich, aber oft hilfreich für eine erfolgreiche Durchsetzung angemessener GdB-Werte.